Samstag, 5. November 2016

101 Nacht - Claudia Ott

Von der Übersetzung her sicher eine Meisterleistung, die Geschichten an sich erinnern eher an Groschenhefte!

Vorläufer unserer Märchen erkennbar 

 

"101 NACHT" wurde aus dem Arabischen ins Deutsche übersetzt und kommentiert von Claudia Ott. Herausgegeben wurde der Band 2012 im Manesse Verlag Zürich.


Ich habe dieses Buch gewonnen und freute mich auf eine Sammlung exotischer Märchen wie aus 1001 Nacht. Leider wurde ich inhaltlich sehr enttäuscht. Die zugrunde liegende Übersetzungsarbeit hat mich mehr begeistert als die Geschichten, denn sie ist wissenschaftlich genau und im Anhang wie eine Diplomarbeit detailliert erklärt. 

Claudia Ott entdeckte in der Ausstellung “Die Schätze des Aga Khan - Museum” eine 800 Jahre alte mittelalterliche Handschrift. Sie bekam die Erlaubnis, diese zu übersetzen und hat hier, sofern ich das als Laie beurteilen kann, gute Arbeit geleistet. 

Hier handelt es sich nicht um Unterhaltungsliteratur, sondern um eine Sammlung von Geschichten für Fachinteressierte oder Orientalisten. 
In fast einem Drittel des gesamten Buches gibt die Übersetzerin in einem umfassenden Nachwort Erklärungen zum Inhalt und zu der Übersetzung ab. Diese Ausführlichkeit ist wie der Anhang einer wissenschaftlichen Arbeit  verfasst. 

Beispielsweise erklärt Claudia Ott, dass in der klassischen arabischen Sprache weder Satzzeichen noch Frage- und Ausrufungszeichen verwendet wurden. Stattdessen wurden die Texte durch Signalwörter und Konjunktionen strukturiert. Solche Details finde ich überaus interessant.

Doch nun zu den Geschichten:
Sie stammen aus dem arabisch-andalusischen Raum und werden als die sogenannte "kleine Schwester" von 1001 Nacht gehandelt. Die Erzählungen wurden ursprünglich mündlich überliefert und von Schreibern bzw. Kopisten aufgezeichnet. Um 1234 entstanden die ersten Handschriften von 101 Nacht. Die Erzählerin ist die persische Wesirstochter Schahrasad, die ihrem König nächtelang Geschichten erzählt, um ihrem Hochzeitsnachttod zu entgehen.   

Im Prolog wird von einem König erzählt, der sich für den schönsten im Land hält (Vorfahrer von der bösen Stiefmutter unseres Schneewittchens?). Doch ein Jüngling soll noch schöner sein. Dieser wird eingeladen, seine Schönheit ist verblasst, denn seine Frau hat ihn betrogen und er hat sie umgebracht. Als er merkt, dass auch der König von seiner Frau betrogen wird, fühlt er sich wieder gut und wird wieder schön. Daraufhin beschließt der König, seine Frauen nach der Hochzeitsnacht hinzurichten. Nur Schahrasad und ihre Schwester Danisad hängen an ihrem Leben und erzählen so lange Geschichten, bis Schahrasad schwanger ist.
Manche dieser Geschichten kommen nicht zu einem Abschluss, andere enden in einem anderen Zusammenhang. 

Einige Titel lauten:
11. Die Geschichte vom König und seinen drei Söhnen
16. Die Geschichte vom Ebenholzpferd
17. Die Geschichte vom König und der Gazelle


Die Qualität ist sehr unterschiedlich, aber im Großen und Ganzen geht es häufig um Raub, Mord, Ehebruch, Beischlaf und Racheakte und Belohnungen. Mir erschließt sich jedoch kein tieferer Sinn. Hier wird nur männliche Machtstellung präsentiert, die Frauen werden als falsche Schlangen dargestellt und sind an jedem Mann interessiert. Solche Geschichten interessieren mich nicht, sie orientieren sich am Zeitgeist von früher vor über 700 Jahren.  
Der Einfluss auf spätere Märchen im europäischen Mittelalter ist allerdings unverkennbar zu sehen.  

"Er lebte mit ihr fortan vergnügt, aß und trank sich satt an den köstlichen Speisen und Getränken, bis das sichere Ende sie ereilte."

"...ein Mädchen erschaffen hat von strahlender Schönheit, mit einem Leib so weiß wie dieser Marmor, mit Haaren so schwarz wie die zwei Raben und Wangen so rot wie deren Blut" Seite 76




Für Fachinteressierte eine interessante Übersetzung mit Erklärung, für Märchenleser eine Enttäuschung. 

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